Donnerstag, 19. November 2009

"Wer integriert die Deutschen?"

fragte vergangenes Wochenende die Stuttgarter Zeitung.

Bei der Vorbereitung einer Unterrichtsstunde für die erste Klasse entspann sich in meinem inneren Ohr heute morgen folgendes - zugegebenermaßen mit logischen Sprüngen durchsetzte - Gespräch:

S: Ein chinesisches Weihnachtslied? Wieso chinesisch?
L: Damit niemand benachteiligt wird. Ihr seid doch alle aus Deutschland, oder?
S: (durcheinander) Ich bin türkisch / russisch / italienisch / ...
L: Aber ihr seid trotzdem alle aus Deutschland, oder nicht? Ist jemand von euch nicht in Deutschland geboren?
S: (abermals durcheinander) Meine Mutter / mein Vater / meine Tante / meine große Schwester / mein Opa ist aus Russland / Slowenien / Griechenland / Marokko / ...
L: Meine Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern sind auch nicht aus Deutschland; sie sind aus Österreich. Naja, das ist nicht so weit entfernt wie die Länder, aus denen eure Familien kommen, und die Sprache ist auch nicht so viel anders wie das Deutsch, das hier gesprochen wird.


Nicht so viel anders als das Deutsch das hier gesprochen wird? Mooooment. Noch vor dreißig Jahren verlief zwischen dem Dorf, in dem ich wohne, und einem nur wenige Kilometer entfernten Nachbardorf eine deutlich wahrnehmbare Sprachgrenze. Ein beträchtlicher Teil des Wortschatzes gleichaltriger Jugendlicher aus alteingesessenen Familien dieses Nachbardorfes war uns unbekannt, nicht verstehbar. Verständigung war manchmal nur durch Rückgriff auf eine gemeinsame lingua franca - in diesem Fall auf das irrtümlicherweise auch als 'Hochdeutsch' bezeichnete Standarddeutsch - möglich.

In der Welt der Bildung hatte zunächst Latein die Funktion dieser lingua franca. Später, nach Gründung des Deutschen Kaiserreichs (1871), wurde in einer entsprechenden sprachenpolitischen Entscheidung der sogenannten Standardvariante des Deutschen diese Funktion zugewiesen. An den öffentlichen Schulen wird seitdem Deutschunterricht für alle erteilt.

Was nach wie vor fehlt: die Anerkennung lebensweltlicher Zweisprachigkeit als nicht hintergehbare Bildungsvoraussetzung.

Dies betrifft bei weitem nicht nur die Kinder mit familärem Migrationshintergrund, sondern ebenso diejenigen Kinder, die von Hause aus Dialekt sprechen. Die Beherrschung der Schriftform der Standardvariante des Deutschen ist nicht gleichzusetzen mit der entsprechenden mündlichen Ausdrucksfähigkeit. Nicht nur in der Aussprache, sondern auch in der Grammatik unterscheiden sich die verschiedenen gesprochenen Varianten des Deutschen teilweise beträchtlich von der als Norm geltenden Standard-Variante. Dazu später an anderer Stelle mehr.

Wie Sybille Thelen in der Einleitung zu ihrem eingangs genannten Artikel schreibt: "Auch die Mehrheit kommt nicht umhin, sich zu bewegen".

zaungast

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Wo noch? ;)
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zwitscherbirdie - 18. Sep, 20:26
Ballermann goes everywhere
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plog - 17. Sep, 18:16
"Das geht ab!"
30. August 2013 gegen 20:45 Uhr, rheinaufwärts...
zwitscherbirdie - 6. Sep, 19:31
Pachtey! :D
Ballermann goes Rhein (Ton: *klickaufsbild*) 31.08.2 013...
zwitscherbirdie - 6. Sep, 19:24
Stop 'n' Go
auf dem Rhein (Köln, Nähe Zollhafen) 31.08.2013.. .
zwitscherbirdie - 6. Sep, 12:54

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